Die zwei fast identischen Röntgenbilder zeigen einen Fötus mit Fruchtblase und Plazenta. Sie stammen aus dem Nachlass des Frauenarztes Kurt Warnekros, der 1922 seinen ersten berühmten Atlas mit Röntgenaufnahmen Schwangerer veröffentlichte und ab 1925 die Staatliche Frauenklinik in Dresden leitete. Unsere beiden Aufnahmen sind jedoch vor Warnekros‘ Wirken an der Dresdner Frauenklinik entstanden, wo bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts intensiv mit Röntgenstrahlen geforscht wurde. Sie erschienen 1914 mit 16 weiteren Stereobildern von Fötus-, Plazenta- und Beckenaufnahmen im Format von 13 x 18 cm nebst einem Heft mit kurzen Bildbeschreibungen in einer Schutzhülle. Urheber ist der damalige Oberarzt der Frauenklinik Emil Vogt (geb. 1885).
Sehr klar zeichnen sich die Umrisse des kindlichen Körpers, seine feinen Knochen, sogar die Nabelschnur und Blutgefäße der Embryonalhülle ab. Die Röntgentechnik befand sich zur Entstehungszeit der Bilder noch in den Anfängen. Im Vorwort seiner Publikation verrät Vogt nichts über die technischen Hintergründe der Aufnahmen. Schärfe und Deutlichkeit sowie die Unsichtbarkeit des mütterlichen Körpers legen nahe, dass sie post mortem (nach dem Tod) entstanden sind. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um Röntgenbilder eines Feucht- oder Einbettungspräparates. Bei der Betrachtung im Stereoskop entstand ein dreidimensionaler Eindruck.
Text: Nora Haubold, 2023