1918 veröffentlichte Kurt Warnekros (1882–1949) unter dem Titel „Schwangerschaft und Geburt im Röntgenbilde“ 31 Bildtafeln, auf denen er ungeborene Kinder im Bauch der Mutter in Röntgenansicht vorstellte. Die pränatale (vorgeburtliche) Sicht auf den Fötus war bisher nur nach dem Versterben von Mutter und Kind anhand von Leichenpräparaten möglich gewesen. Die dabei beobachtete eng zusammengerollte Haltung der Föten galt sehr lange Zeit als die natürliche. Warnekros konnte nun anhand seiner Röntgenbilder nachweisen, dass dies durch Muskelschrumpfung und Fruchtwasserverlust nach dem Tod bedingt war.
Großes Interesse richtete er auch auf den kindlichen Körper unter Einfluss der Wehentätigkeit und während der Geburt. Auf seinen Röntgenbildern sieht man erstmals, wie das Baby durch die Streckung seiner Wirbelsäule und Gliedmaßen leichter durch den Geburtskanal kommt. Drei Jahre nach dem sogenannten physiologischen Teil seines Röntgenatlas publizierte Kurt Warnekros 1921 einen zweiten „pathologischen“ Teil mit schwierigen Fällen der Schwangerschaft: seltenere Lagen und Stellungen des Kindes, Mehrlingsschwangerschaft oder anatomische Hindernisse.
„In wenigen Sekunden, ohne Belästigung der Frauen, ist die Aufnahme gemacht und das entwickelte Bild gibt über Lage und Stellung der Frucht, über die Haltung ihrer Teile bis zu den Zehen und Fingern, über ihre Grössenverhältnisse und Beziehungen zum Becken viel bessere Aufschlüsse, als wir sie jemals mit den tastenden Händen erreichen können.“
Vorwort von Ernst Bumm, in: Kurt Warnekros, Schwangerschaft und Geburt im Röntgenbilde. 31 Tafeln und Text. I. Physiologischer Teil. Aus der Königlichen Universitäts-Frauenklinik Berlin, Wiesbaden: Verlag von J. F. Bergmann, 1918.
„Wir sehen keine Veranlassung, eine a u f d a s N o r m a l m a ß b e s c h r ä n k t e diagnostische Strahlenanwendung bei der schwangeren Frau abzulehnen, empfehlen jedoch Zurückhaltung.“
Wilhelm Liepmann, Gerhard Danelius, Geburtshelfer und Röntgenbild. Erweiterung und Erneuerung durch die Röntgendiagnostik, 1932, S. 31.
„Es darf sich bei der Anwendung der geburtshilflichen Röntgendiagnostik nicht um ein routinemäßiges oder gar artistisches ‚Knipsen‘ handeln, sondern um eine planvoll und logisch in die klinische Tätigkeit eingebaute Untersuchungsmethode, die wissenschaftlich genau begründet und untermauert sein muss.“
Wilfried Möbius, Geburtshilfliche Strahlen- und Röntgendiagnostik. Grundlagen, Methodik und praktische Anwendung. Berlin: Akademie-Verlag 1967, S. 11.
Text: Nora Haubold, 2023