Seit dem 20. Jahrhundert wurden verschiedene Symptome mit Röntgenstrahlen „therapiert“: von Ekzemen über Haarausfall bis hin zu Menstruationsproblemen. Auch in der Geburtshilfe stellte man lange Zeit einen wissenschaftlich-diagnostischen Nutzen über den Personenschutz – obwohl schon in den 1890er Jahren schwere, nicht heilende Hautverbrennungen bei Schwangeren auf Röntgenstrahlen zurückgeführt worden waren.In den 1950ern erlebte die medizinische Radiologie einen erneuten Aufschwung. Auch Schwangere wurden weiterhin zur Kontrolle geröntgt. Intensität und Dauer der Bestrahlung wurden jedoch schon genauer begrenzt.
Zur selben Zeit führte die Epidemiologin Alice Stewart (1906–2002) in Großbritannien Forschungen über die Auswirkung von Röntgenstrahlen auf den Fötus durch. Stewart war persönlich vom Thema betroffen, da ihre Patennichte im Alter von vier Jahren an Leukämie verstorben war. 1958 veröffentliche sie im British Medical Journal die Ergebnisse einer Studie unter dem Titel „A survey of childhood malignancies“. Bei der Befragung von Müttern an Leukämie erkrankter Kleinkinder hatte Stewart den direkten Zusammenhang zu vorangegangenen Röntgenuntersuchungen in der Schwangerschaft erkannt. Lange Zeit blieben ihre Erkenntnisse unbeachtet.
Text: Nora Haubold, 2023