Um 1900 zogen Erkenntnisse aus der Naturheilkunde und Lebensreform in die Schulmedizin ein. In dem Zusammenhang gewannen mit Beginn des 20. Jahrhunderts Licht und Luft in der Therapie zunehmend an Bedeutung. Luftkuren und Höhenkliniken waren in Mode. Auch in der Säuglingspflege galt frische Luft einstimmig als „natürlicher Heilfaktor“¹. Im Privaten empfahl man tägliche Spaziergänge, in Anstalten das regelmäßige Freiluftbad auf Veranden oder Balkons.
Das „Jahrbuch für das gesamte Krankenhauswesen“ von 1932 rät für Kinderkliniken ausdrücklich zur terrassierten Bauform mit Balkons. Die Kinderklinik in Dresden galt als vorbildhaft. Sie entstand 1930 mit langen Liege- und zwei Dachterrassen. In mobilen Bettchen konnten die kleinen Patientinnen täglich an die frische Luft geschoben werden. Gezielt war die Hauptfassade des Gebäudes nach Süden und somit zur Sonnenseite ausgerichtet. Aufgehängte Leinwände dienten als Sonnenschutz.
______________________
¹ Max Pescatore, Pflege und Ernährung des Säuglings. Ein Leitfaden für Pflegerinnen, Berlin: Springer, 1908, 2. Aufl., S. 62.
„L u f t u n d L i c h t sind unentbehrlich für das Gedeihen des Kindes! Das sonnigste, schönste, luftigste Zimmer einer Wohnung soll das Zimmer sein, in dem das Kind lebt.“
Arthur Schloßmann, Die Pflege des Kindes in den zwei ersten Lebensjahren, München u.a.: Oldenbourg, 1908, 2. Aufl., S. 34
„Keine Medizin, keine noch so sorgsame Pflege kann erreichen, was die frische Luft zu erzielen imstande ist. Je mehr man dem Kind davon verschaffen, je länger es sich im Freien aufhalten kann, desto größer und überraschender sind die Erfolge bei Gesunden und bei Kranken.“
Max Pescatore, Pflege und Ernährung des Säuglings. ein Leitfaden für Pflegerinnen, Berlin: Springer, 1908, 2. Aufl., S. 62.
„5. Veranden und Balkone. Ein Kinderkrankenhaus kann nicht Licht und Luft genug haben.“
Adolf Gottstein (Hg.), Handbücherei für das gesamte Krankenhauswesen Bd. II, Fachkrankenhäuser, Berlin: Springer 1930, S. 118.